Viele von uns haben sich irgendwann im Leben schon einmal über einen schwierigen Vorgesetzten beschwert. Es geht dabei um Vorgesetzte, die keiner mag; ihre bloße Existenz scheint wie Gift zu sein, das Teams, Projekte und ganze Unternehmen infiltriert und durchdringt.
Diejenigen unter uns, die ein solches Ekel von Chef haben oder hatten, verringern durch ihre negative Einschätzung ihre Chance, selbst Verantwortung für die Beziehung zu übernehmen. Wir glauben, diese Menschen sind im Unrecht und sollten sich anders verhalten. Immerhin sind sie unsere Vorgesetzten und sollten demnach eine Vorbildfunktion haben.
Wir erhalten auch Bestätigung von Seiten unserer Arbeitskollegen, wie sehr dieser Vorgesetzte fehl an seinem Platz ist, doch das hilft keinem weiter. Bestenfalls unternehmen wir einen halbherzigen Versuch, mit ihm in Beziehung zu treten, doch normalerweise geben wir das viel zu schnell wieder auf.
Ich habe während meiner 18-jährigen beruflichen Laufbahn als Angestellter vier schwierige Vorgesetzte gehabt. Bei den ersten dreien traf ich immer die falsche Wahl – ich ging ihnen, so gut es nur ging, aus dem Weg, ich beschwerte mich laufend über sie und genoss die Bekräftigungen meiner Arbeitskollegen, dass ich doch so sehr recht hatte und der Chef so unrecht. Mein Verhalten trug in keinster Weise zu einer Verbesserung meiner eigenen Situation bei und half auch den anderen Mitarbeitern der Firma nicht weiter. Ganz im Gegenteil.
Die ersten beiden Male, als ich es mit einem schwierigen Vorgesetzten zu tun hatte, kündigte ich aus lauter Wut meine Arbeitsstelle. Beim dritten Mal führte meine scharfe, negative Kritik an meinem dritten schwierigen Vorgesetzten dazu, dass ich gefeuert wurde!
Das vierte Mal machte ich es endlich richtig. Jener Vorgesetzte war wohl das größte „Ekel“ von ihnen allen. Sein Modus Operandi bestand darin, gut auszusehen, doch nicht unbedingt Gutes zu tun. Er behandelte andere Menschen grob und oft respektlos. Doch ich weigerte mich, in die Falle dieses „Ekels von einem Chef“ zu laufen. Ich entschied mich, ihn mit Würde und Respekt zu behandeln, was ich ansonsten immer Menschen vorbehalten hatte, die ich mochte.
[blockquote cite = ‘Oprah Winfrey’ align = ‘right’]Ich wünschte mir, die Menschen wären offener und toleranter. Ich wünschte mir, sie wüssten, dass sich hinter jedem Fremden eine Geschichte verbirgt, die unser gemeinsamer Nenner ist – denn wir alle erleben dasselbe Menschsein: den Schmerz, die Traurigkeit, die Trauer, die Sehnsucht nach Liebe und dann auch, dank Hoffnung und Hilfe, schrittweise Erfolge.[/blockquote]Mein Team und ich hatten in den folgenden zwei Jahren, in denen wir unter seiner Führung arbeiteten, eine gute Beziehung zu ihm. Wir weigerten uns, Opfer seines ungewöhnlichen Verhaltens zu werden. Wir kamen regelmäßig zusammen, um zu besprechen, was wir als Team tun konnten, um unsere 100%-ige Selbstverpflichtung zu erfüllen, von uns aus eine gute Beziehung mit ihm aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Obgleich jeder außenstehende Betrachter zustimmen würde, dass sich dieser Mensch während der zwei Jahre unserer Zusammenarbeit nicht sonderlich änderte, half unser 100%-iges Engagement in Bezug auf unsere Beziehung zu ihm dennoch, ihn und unser Unternehmen effektiver zu unterstützen. Wenn ich auf diese Erfahrung zurückblicke, sehe ich keinen einzigen Menschen außerhalb unseres Teams, der genauso bereit und fähig gewesen wäre, 100% Verantwortung für eine Beziehung mit ihm zu übernehmen.
Zu der Zeit bestand mein Team aus sechs Personen. Fünf von uns wurden nach unserer Arbeit mit diesem schwierigen Vorgesetzten befördert. Allen fünf von uns wurde gesagt, dass unsere Fähigkeit, mit diesem schwierigen Menschen zusammenzuarbeiten, nicht nur für sich genommen wichtig war, sondern uns auch die Möglichkeit gegeben hatte, unsere besonderen Fähigkeiten zu demonstrieren und aus den richtigen Gründen Anerkennung zu erfahren. Im Endeffekt brachte uns unsere 100%-ige Verantwortungsübernahme in Bezug auf unser „Ekel von einem Chef“ also bedeutende Beförderungen ein. Meine Beziehung zu meinen ersten drei schwierigen Vorgesetzten (oder, besser gesagt, ihr Fehlen) ist mir heute noch, 25 Jahre später, peinlich.
Ich hoffe, dass Sie nicht dieselben Fehler machen und dass Sie sich stattdessen auf die Art von Beziehung einlassen werden, die ich zusammen mit meinem Team mit dem Vorgesetzten Nummer Vier hatte.
Wenn Sie 100% Verantwortung für Ihre beruflichen Beziehungen übernehmen, werden Sie in der Lage sein, Ihren Kunden, Ihrem Team, Ihrem Vorgesetzten und Ihrem Unternehmen auf die bestmögliche Weise zu dienen.
Sie wissen bereits, dass jedes Problem, das Sie mit einem Ihrer Mitmenschen haben, weniger mit dem anderen Menschen zu tun hat als vielmehr mit Ihren tiefverwurzelten Erwartungen an diesen Menschen. Diese Erwartungen treten beim 100/0-Prinzip zu Tage, wo die „0“ keine Ausnahmen zulässt.
Im Verhältnis zu jedem Menschen, mit dem Sie es zu tun haben – von Familienmitgliedern über Freunde und Arbeitskollegen bis hin zu entfernteren Verwandten – sind Bewusstsein und Wahl extrem wichtig. Wir müssen uns unserer vorgefassten Meinungen, unserer Emotionen und unserer Erwartungen bewusst sein, und dann müssen wir bewusst eine Wahl treffen, wie wir mit Würde und Güte handeln können.
Schließlich müssen wir voll und ganz die „0“ annehmen und dürfen keine Gegenleistung erwarten.
Normalerweise wird die andere Person positiv reagieren, doch manchmal kommt es tatsächlich vor, dass nichts zurück kommt. Das ist in Ordnung so. Sie verlieren ja nichts dadurch. Ihre Würde und Güte haben Ihnen, Ihrem Team oder Ihrer Familie und Ihrem Unternehmen höchstwahrscheinlich dennoch geholfen, auch wenn es zumindest anfangs nicht völlig offensichtlich sein mag.
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